Spirituell-Psychotische Grenzbereiche

Je verzweifelter wir Menschen auf der Suche sind, desto anfälliger sind wir für Antworten. Antworten, die wir gerne als Erklärungen für unsere eigenen Schwächen, Probleme oder Krankheiten verstehen. Antworten, die meist jemand anders irgendwann mal als seine eigene Antwort erkannt hat und sie für allgemeingültig hält. Oder Antworten, welche uns die Wissenschaft gibt. Es ist festzustellen, dass manche spirituellen/esoterischen Überzeugungen in der Psychiatrie von pathologischer Bedeutung sind, ohne in den folgenden Darstellungen das eine über das andere zu stellen. Es ist nur eine neutrale Feststellung, wenn man verschiedene Glaubensrichtungen hinterfragt.

Hier verbirgt sich vor allem für labile Menschen eine nicht unerhebliche Gefahr, weil Glaubenssätze wie beispielsweise die weit verbreitete Überzeugung, „alles im Leben käme von selbst und man müsse nichts weiter zu tun, außer positiv im Hier und Jetzt zu sein“ (sinngemäß) zu einer vollkommenen Passivität mit Folgen von Arbeitslosigkeit oder Sinnlosigkeit im Leben führen und sogar in einer Depression münden kann.

Leidenschaft und Wahn

Populäre esoterische Halbwahrheiten wie „man könne sich alles vom Universum wünschen“ sind auch dem bekannten Film „The Secret“ zu verdanken. Was als Esoterik (= geheimes Wissen) wieder neu entdeckt wurde, wird oftmals leider völlig falsch verstanden und interpretiert, wobei „The Secret“ sicherlich auch einige gehaltvolle Botschaften mit sich bringt. Der eine wünscht sich Sonne, der andere Regen, was für ein Chaos wäre das auf der Erde… Auch die fragwürdige gern zitierte Behauptung, „Leidenschaft würde Leiden schaffen“, ist unvollständig. Leidenschaft hat mit „Leiden schaffen“ überhaupt nichts zu tun, ganz im Gegenteil, eine Leidenschaft kann schöpferisch sein – je nach dem, um welche Art von Leidenschaft es sich handelt – und verursacht damit alles andere als Leiden. Wer sein Hobby, sei es Briefmarkensammeln, Malen oder Wandern, leidenschaftlich betreibt, einen anderen Menschen leidenschaftlich liebt oder seinen Beruf leidenschaftlich ausübt, ist meist ein sehr glücklicher Mensch. Ohne Leidenschaft ist das Leben leer. Mit anderen Worten: Wegen der Leidenschaft sind wir Mensch geworden. Wenn in einer Beziehung aus Leidenschaft echtes Leiden wird, und das gibt es unbestritten sehr oft, dann sollten beide Beteiligten ihre Beziehung gemeinsam reflektieren, evtl. mit der Unterstützung eines Therapeuten, um festzustellen weshalb das Leiden Einzug in ihr Leben fand.

Auch ein Wahnkranker ist leidenschaftlich. Leidenschaftlich besessen vom dunklen Schatten. Beim von Geheimdiensten Verfolgten, der nachts Stimmen hört, sind es nach Dr. Rüdiger Dahlke die eigenen aggressiven Schatten, die von Innen nach Außen projiziert werden. Denn jedwede Schattenunterdrückung führt erst zur Explosion des Schattens. Wer also dem Licht hinterherjagt und dabei seine eigenen Schatten verdrängt, wird umso schneller von ihnen eingeholt, auf welcher Weise das auch immer stattfinden mag. Das Spiel können wir auch global gut beobachten! So manche Politiker wollen das Gute und erschaffen dabei das Böse. Manche Vorschläge und Kommentare von Politikern erinnern an puren Wahnsinn, derzeit haben sie anscheinend Hochkonjunktur…

Mann zwischen Veränderungen in der WeltWahnvorstellungen und Halluzinationen können Symptome einer Schizophrenie sein, die Betroffenen hören beispielsweise Stimmen oder haben häufig das Gefühl, von außen kontrolliert und beobachtet zu werden. Unter einer Schizophrenie leidet rund ein Prozent der Bevölkerung weltweit. Ebenfalls ein Prozent der Bevölkerung ist statistisch zu den Psychopathen zu zählen, wobei der Anteil im gehobenen Management bei knapp 14% liegen soll. Ein Psychopath ist ein Mensch ohne empathische Fähigkeiten, kann Menschen sehr gut einschätzen und gibt einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Er manipuliert andere Menschen und ist meist sehr erfolgreich – und gefährlich. Wie hoch mag wohl der Anteil an Psychopathen in der Politik liegen, ein Bereich, in dem die Macht lockt? Der Autor des Buches „ICH – 1%!?“, Stephan Siegfried, geht sogar so weit indem er sagt, dass „Psychopathen ganze Völker in kollektives Fehlverhalten manipulieren, wirtschaftliche Betrügereien im großen Stil verursachen, Weltwirtschaftskrisen, Amokläufe, Burnouts und viele Suizide.“

Fremdenergien oder Wahnvorstellungen?

Während der „Verfolgte“, davon überzeugt ist, dass seine negativen manipulativen Stimmen im Kopf beispielsweise von Außerirdischen oder anderen dunklen Mächten stammen, diagnostiziert der Psychiater Halluzinationen oder Wahnvorstellungen im Rahmen einer Schizophrenie. Wenn man nicht nur den Darstellungen der gängigen Medien und der Schulpsychologie, also der Wissenschaft, folgt, erhalten wir genügend Informationen darüber, dass es genannte Phänomene tatsächlich geben kann. Auch die verschiedenen Religionen gehen bekanntermaßen davon aus, dass es gute wie böse unsichtbare Wesen gibt. Die Gefahr dabei ist für den Betroffenen immer die Schwelle, an der das Problem von Innen nach Außen projiziert wird, und der „Verfolgte“ Gefahr läuft, von sich selbst abzulenken, denn: Von den eigenen Schatten zu flüchten, zieht Misserfolg und Probleme unterschiedlichster Art erst an!

Fremdenergien wie beispielsweise Archonten oder Asuras (siehe auch die „Schriften aus Nag Hammadi“ oder „Sanskrit“) sind Profis der Manipulation und der Täuschung und haben es eher auf größere Menschengruppen wie Völker, Staaten und die Welt an sich abgesehen, da sich größere Gruppen leichter beeinflussen lassen als Individuen – was aber nicht heißen mag, dass nicht auch einzelne Menschen Erfahrungen mit jenen dunklen Wesen machen. Sie brauchen die negativen Gefühle und Emotionen der Menschen, sie dienen ihnen als Energiequelle. Ein toter Mensch nützt ihnen nichts. Die mit Vorsicht zu genießende unbewiesene Theorie lautet also, dass jene Wahrnehmungen, wie beispielsweise man könnte tödlich vergiftet werden oder man würde dem „Bösen“ nur durch Suizid entgehen können, dem psychopathologischen Befund der Wahnvorstellungen zugordnet werden müssen – welche dringend von einem Psychotherapeuten behandelt werden müssen. Beide, also sowohl Betroffene von Fremdenergien als auch von Wahnvorstellungen folgen in ihren Leiden den gleichen Gesetzmäßigkeiten, nämlich die, die besagen, dass die Phänomene jeweils mit ihnen selbst zu tun haben und nicht von Aussen zufällig in Erscheinung treten.

Sowohl der Wahnkranke als auch das „Opfer von Fremdenergien“ eint die Suche nach Antworten und den Sinn für die unerklärlichen Dinge, die mit ihnen geschehen. Wie beschrieben, gestaltet sich die Wahrheitsfindung schwierig, da sich Symptome gleichen, aber unterschiedliche Ursachen haben können (nicht müssen!). Achim Haug schreibt in seinem Buch „Reisen in die Welt des Wahns“ zur Fähigkeit, sich die mysteriösen Dinge zu erklären:

Licht am Ende des Tunnels„Interessanterweise verspüren Patienten mit Wahn einen höheren Druck, sich Dinge zu erklären. Sie sind schneller in der Interpretation von Geschehnissen und kommen früher als Gesunde zu einer Schlussfolgerung. […] Jedenfalls gelangen Menschen mit wahnhaftem Erleben schneller zu Erklärungen als Gesunde, die eine Erfahrung, eine Wahrnehmung oder einen Einfall als solche stehen lassen können und sich länger überlegen, ob es sich wohl um Zufälle handelt. (Seite 144). Weiter, so schreibt Achim Haug auf Seite 149, dass das Misstrauenslevel bei Menschen mit Wahn generell erhöht ist. Aus einem Verdacht wird schnell wahnhafte Gewissheit, ohne sich die Zeit zu nehmen, zu reflektieren, ob ein oder zweimal sich wiederholende Situationen mit dem selben Menschen doch nicht auf sich selbst bezogen werden kann.“

Spiritueller Erklärungswahn

Und so wären wir bei dem nächsten interessanten Phänomen: Es handelt sich dabei um jene sich „zufällig“ wiederholende Situationen, die jeder von uns kennt. Was kann es bedeuten, dass man den Ex-Freund, den man zehn Jahre lang nach der Trennung nicht mehr gesehen hat, drei Mal innerhalb eines Monats an einer Tankstelle getroffen hat und man dabei feststellte, dass man auch noch das gleiche Auto in der gleichen Farbe fährt? Will es das Schicksal, dass die damals dramatisch zu Ende gegangene Liebe wieder aufflammt? Ist man etwa doch füreinander bestimmt, auch wenn es schonmal krachend scheiterte?
Nichts geschieht aus Zufall, aber nicht jede Synchronizität beinhaltet unbedingt eine wichtige Botschaft für uns. Kann aber! Wenn man sich jedoch zu sehr daran klammert, jede „schicksalhafte“ Begegnung oder jedes „mysteriöse“ Ereignis als universalen Hinweis erklären zu müssen, gibt man ein Stück des freien Willens ab. Übertrieben gesagt, ähnelt sich der Zwang, sich alle merkwürdigen sich wiederholenden Situationen, die man sich irgendwie erklären muss und interpretieren will, in frappierender Weise den Symptomen einer Wahnerkrankung. Aber auch hier wieder möchte ich betonen, dass diese sich rein vom psychologischen Standpunkt aus ähneln – und natürlich ist nicht jeder, der Zeichen im Alltag interpretiert, ein Wahnkranker!

Die Grenzen sind eben fließend, wenn es überhaupt welche gibt und es gibt hierfür auch keine Norm. Je nach Interpretation von Synchronizitäten oder anderen unklaren Wahrnehmungen gibt es nicht die EINE Erklärung! Erfahrungen, Erkenntnisse, Erziehung, soziales Umfeld – sprich unser ganzes (Vor-)Leben beeinflussen unsere Interpretationen, die sich gerne zu festen Meinungen formen! Und natürlich gibt es auch Begegnungen und Situationen, die unser Leben entscheidend beeflussen können zum Guten, wenn wir die Zeichen richtig deuten!

„Normalität ist eine Aussage über statistische Häufigkeit und daher weder als Klassifikationsbegriff noch als Wertmaßstab brauchbar. Normalität wirkt zwar angstvermindernd, steht aber einer Individuation entgegen. Die Verteidigung einer Normalität ist eine schwere Hypothek der traditionellen Psychatrie. Eine Halluzination ist weder irrealer noch realer als jede andere Wahrnehmung. Ihr fehlt lediglich der Beifall des Kollektivs. (Rüdiger Dahlke, Krankheit als Weg, Seite 319)“

Gibt es Engel?

Ein Wissenschaftler, der sich ein ganzes Leben lang nur mit Daten und Fakten beschäftigt, wird die Existenz von Geistern und Kobolden als Hirngespinste ablehnen. Ein Almhirte, der die meiste Zeit seines Lebens in den Bergen in der Natur verbringt, erlebt im Laufe der Zeit viele unerklärliche Phänomene (wie u.a. im Film Alpgeister schön dargestellt). Für den Almhirten sind mythenhafte Erscheinungen wie Naturwesen und Engel völlig real und nichts Seltenes. Für die meisten Wissenschaftler ist die Existenz von Naturwesen völlig irreal, weil sie nicht beweisbar ist. Und wer hat nun Recht? Beide, der Wissenschaftler und der Almhirte. Jede Meinung – sogar jede Wahrnehmung – basiert lediglich auf den eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen.

Aus der Quantenphysik wissen wir, dass uns nichtmaterielle Materie umgibt, die um ein vielfaches größer ist, als das, was wir als feste Materie wahrnehmen und sehen können. Dass sich in diesem riesigen feinstofflichen Raum lichte Wesen wie auch dunkle Wesen aufhalten, entspricht bislang nur den Konzepten aus Religion, Mystik und Esoterik. Unerklärliches, Wunder und Phönomene kennen wir auch zugenüge aus der Literatur. Nahtoderfahrungen gehörten viele Jahrzehnte alleine zu den esoterischen Überzeugungen bis sie nun auch in der Wissenschaft und in der Neurobiologie auf reges Interesse gestoßen sind, weil man auch da erkannte, dass mit der Seele nach dem Tod etwas geschieht.

Alles hier berschriebene spiegelt jedoch auch nur meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse wieder, diese muss LeserIn nicht glauben… Die Frage ist also, was wollen wir glauben? Und warum? Weil suchende Menschen Antworten haben wollen, und suchende Menschen sind wir doch alle irgendwie! Wir sehen also, die Suche nach der eigenen Wahrheit kann zur Besessenheit werden – oder zur Heilung führen.

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Beitragsbild „Frau hinter Fensterscheibe“: Istockphoto.com
Bild „Himmel“: Gehvoran
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