Mythen regen unsere Fantasie an und sind heilsam für unsere Seele. Sie drücken etwas aus, was wir irgendwie schon immer gespürt und gewusst haben, aber bewusst meist nicht so recht wahrnehmen können. Auch und gerade weil sich ihre Spuren oftmals verlieren und die wahren Verfasser meist unbekannt sind, umgibt sie ein mysteriöser Zauber, in den wir eintauchen und uns darin verlieren dürfen. Wer den Zauber zulässt erweckt die Götter zum Leben, lässt fantastische Wesen fliegen und erfährt eine tiefe Verbundenheit mit den Helden und unseren Ahnen längst vergangener Zeiten.
Mythen faszinieren, weil sie in Wahrheit viel menschlicher und natürlicher sind, als wir glauben – in unserer weitgehend verkünstlichten Welt. Sie verschmelzen mit unseren Träumen und erheben sich zu purem Leben. Mythen sind viel mehr als nur Geschichten, denn in ihnen finden wir Menschen uns wieder, sie spiegeln unsere Sehnsüchte, Bedürfnisse, Ängste und Schatten. Die sagenhafte Trilogie „Herr der Ringe“ beispielsweise basierte auf uralten Mythologien und stieg mittlerweile selbst in den Rang eines Mythos auf. Die Geschichten, die dort erzählt werden, bekommen eine ganz andere und tiefere Bedeutung, wenn man bedenkt, dass beispielsweise die Neun Gefährten den neun Bewusstseinsstufen der Menschheit entsprechen. Und auch ansonsten stellen sämtliche Facetten von „Herr der Ringe“ innere Seelenentwicklungsprozesse dar.
Die Neun Bewusstseinsstufen
Der Maya-Kalender beschreibt die neun Bewusstseinsstufen, die nach über 16,4 Milliarden Jahren am 21.12.2012 vollendet wurden, um sich danach auf der Erde und bei den Menschen Schritt für Schritt zu manifestieren. Der Mensch als Schöpferwesen ist dann nicht mehr bereit, jedwede Art von Leiden weiterhin zu erfahren (dies entspricht auch u.a. der Auflösung von Karma). Um diesen Zustand zu erreichen braucht es die Entwicklung, aus der Dunkelheit herauszutreten und sie gleichsam zu erhellen. Die Menschen, die sich durch ihre Liebe heilen, heilen Mutter Erde. Ein gesunder Planet ist ein gesunder Kosmos und eröffnet uns die Möglichkeiten in jedweder Form mit allen kosmischen Wesen zu kommunizieren. Dieser Zustand wird auch als das Goldene Zeitalter beschrieben. Der Prozess des Bewusstseinswandels hin zu einer höheren Stufe ist für jene begehbar, welche die Auseinandersetzung mit dem (inneren) Schatten, Dunklen und Bösen, wie dies bei „Herr der Ringe“ trefflich geschieht, nicht scheuen.
Den Kampf annehmen, ohne zu kämpfen
Hier lehren uns die alten Mythen, den Kampf anzunehmen. Ein Kampf, der auf der inneren Ebene ohne Waffen auskommt, in den Mythen selbst meist martialisch und kriegerisch geschildert wird. Die Trilogie war also weder nur eine Fantasysaga, noch entsprang sie irgendwelchen Träumereien des Autors, sondern basierte zum einen auf umfangreichen mythologischen Forschungen und zum andern auf magischen Einflüssen, die man auch gerne als „himmlische Eingaben“ bezeichnen könnte. Der Urheber der heldenhaften Reise der neun Gefährten J. R. R. Tolkien (1892 – 1973), der selbst ein wenig aussieht wie ein gewitzter Kobold (siehe Bild links), erforschte Zeit seines Lebens Mythen und europäische Literatur. Insbesondere inspirierten ihn die germanische und nordische Mythologie, das frühmittelalterliche heidnische Mitteleuropa sowie deutsche und englische Volkssagen. Tolkien ging nicht zur Schule, sondern wurde von seiner Mutter unterrichtet, später wurde er Professor für altenglische Sprache. Das Motiv für die Figur des Zauberers Gandalf entdeckte er übrigens bei einer Reise durch das Rheintal. Einem Zufall ist es zu verdanken, dass seine Werke überhaupt den Weg in die Verlage fand, denn ursprünglich schrieb er seine Geschichten für seine Enkelkinder.
Mythen als Entwicklungshelfer der Menschheit
Die Dramaturgie der Trilogie „Herr der Ringe“ geht so weit, bis die Polaritäten in sich selbst ausgeglichen und harmonisiert werden, ohne dabei in die Dualität, in gut und schlecht, weiß oder schwarz, Himmel und Hölle abzurutschen. Welch göttliche seelische Verbindung an die morphischen Felder der Erde musste der Autor Tolkien gehabt haben, um den Bewusstwerdungsprozess der Menschheit im Kollektiv – wie auch der Menschen im Individuellen, in seinen Romanen lebhaft sichtbar zu machen! Die Neun Gefährten als die Vertreter der freien Völker Mittelerdes, analog dazu „Midgard“ vom Weltenbaum Yggdrasil der Germanen, waren vier Hobbits (Frodo, Sam, Merry und Pippin), ein Zwerg (Gimli), ein Elb (Legolas), ein Istar (Gandalf), sowie zwei Menschen (Aragorn und Boromir).
Mythen bilden die Grundlage unzähliger Rituale, die auch jetzt noch den Menschen eine gewisse Orientierung im Leben geben, Bodenständigkeit und Erdung, was sich unter anderem durch Demut vor den Mächten und Zyklen der Natur ausdrückt. Dabei ist die ursprüngliche und genetisch bedingte Naturverbundenheit der Menschen den „Mächtigen und Eliten“ ein Dorn im Auge, daher leben wir bald, falls wir nicht aufpassen und achtsam sind, in einer Zeit der Künstlichkeit, der Automatisierung und der Einheitsnorm. Dies entspricht nun ganz und gar nicht den eigentlichen Bedürfnissen der Menschen, daher wird sich der Mensch seine Natürlichkeit auf viele Arten und Weisen bewahren, auch wenn dies im momentanen Computerzeitalter nicht den Anschein macht. So wie sich die Natur stets in ihrer Eigenwilligkeit verändert, so individuell tanzt der Mensch auch durchs Leben, mal bunt, mal grau, mal laut, mal leise, mal wild, mal sanft. Individuelle und selbstbestimmte Menschen sind nicht so leicht regier- und manipulierbar! Gerade das macht es aus, Mensch zu sein!
Tanz mit den Orks!
Die zahlreichen Rituale, die sich aus den uralten Mythen bildeten, dienen dazu, um durch die Öffnung zur magischen Zwischenwelt einen Bezug zu den kosmischen Kräften herzustellen. Kosmische Kräfte, die uns dabei helfen, unser Bewusstsein für die Geheimnisse des Lebens wie auch des Todes zu offenbaren, durch die wir unsere Geschicke auf Erden als bewusster Schöpfer klarer manifestieren können. Um in die Magie der Mythen einzutauchen sollten wir hin und wieder in die Stille gehen, uns besinnen, und vor allem jetzt in der dunklen Jahreszeit der langen Nächte liegt ein ganz besonderer Zauber verborgen. Es ist eine Art verborgener Schönheit, da wir jetzt genauer hinsehen müssen, um das bunte Treiben der magischen Wesen, die ebenso in uns selbst tanzen, erkennen zu können. Unsere eigenen Schattenwesen besuchen uns ganz gerne im „Totenmonat“ November, und auch während der Rauhnächte ab 24. Dezember (Heilige Nacht = Geweihte Nacht) bietet sich ein wegweisendes Tor zur Anderswelt.
Kein Grund, die Schattenwesen zu fürchten, denn gerade die bewusste Annahme kann sehr heilend sein. „Treff dich mit deinen Schattenwesen und Dämonen und fordere die Orks, Balrogs und Valaraukas“ auf zum Tanz. Erkenne sie an als einen Teil von dir, um sie mit deinem Licht zu beleuchten und zu transformieren“.
Beitragsbild „Engel“: Fotolia.com #173808280 Urheber: kharchenkoirina / Bild „Gebirge: Fotolia.com #170094875 Urheber: romanh24 / Bild „Waldgeist: Fotolia.com
Über den Autor:
Alex Miller, Mystiker, Autor, Life Coach und Hypnotherapeut lebt am Rande der fränkischen Alb im Nürnberger Land. Er wurde bekannt mit seinem Blog »Gehvoran«, den er zwischen 2010 und 2022 schrieb. Neben Spiritualität, Esoterik und Psychologie gilt sein Interesse der germanischen Mythologie und der Lebensweise unserer Vorfahren. Seiner Überzeugung nach sind sowohl in den alten Mythen als auch in der archaischen Lebensweise viele Lösungen für die heutigen Probleme zu entdecken.