Das Erwachen der göttlich-männlichen sexuellen Energie

Reifeprozesse der Männlichkeit: Unsere Väter und Vorväter, die den männlichen Nachwuchs in erheblichem Maße prägten, sind teils noch durch Kriege traumatisiert, waren abwesend oder hatten aufgrund ihrer Arbeit keine Zeit. In einer Zeit ohne Initiationsriten und ohne männliche Mentoren fällt es Söhnen immer schwerer, das wahre Mannsein zu entdecken. Mannsein bedeutet, wild zu sein, ohne jemanden zu verletzen, weder seelisch noch körperlich, sondern mit Ausdauer, Zielstrebigkeit, Logik und Improvisation authentisch und beschützend voranzuschreiten. Vom Mannwerden zum Mannsein gilt es einen Weg zu beschreiten, der nicht ohne Weiteres von alleine in Gang gesetzt wird.

Echte männliche Vorbilder sind von großer Bedeutung, die im Alltag bei uns im Westen leider nicht allzu häufig anzutreffen sind. Oftmals entdecken wir sie in Filmen, in denen Helden das Böse bekämpfen und Frauen retten, ihnen Geborgenheit, Schutz und Sicherheit bieten. In Fußballarenen beobachten wir, wie unsere Helden entscheidende Tore schießen und sich im Fanhimmel verewigen. Männer brauchen sich an diesen Eintagshelden zwar nicht unbedingt orientieren, sondern sollten lieber hin und wieder innehalten und reflektieren, wie es um die eigene Männlichkeit eigentlich »steht«.

Initiationsriten, bei denen Jungs zu Männern werden, wie sie bei indigenen Völkern nach wie vor praktiziert werden und die uns mit ihrer Brachialität und Strenge abschrecken, sind unserer Gesellschaft fremd. Stattdessen wird durch jährlich stattfindende »Girlsdays« in Firmen suggeriert, dass Mädchen und Jungs irgendwie »gleich« sind und die gleichen Grundvoraussetzungen angeblich für alles haben. Aufgrund zunehmend unbewusster Identitätskrisen füllen Heranwachsende ihre innere Leere mit Drogenexperimenten, exzessivem Smartphone-Gebrauch und brutalen Videospielen. Das Bedürfnis von Jungs und Männern, sich mit Altersgenossen zu messen, ist jedoch als archetypisches Muster im Mann genetisch verankert und muss dringend ausgelebt werden. Jedoch sollte dies vorzugsweise im realen Leben, beispielsweise in Sportvereinen oder im Wald, in der Natur, anstatt in der virtuellen Welt geschehen.

Irgendwann kapitulierte der Wilde Mann als Beschützer der Welt

Wenn man sich in der Gesellschaft umschaut, drängt sich der Eindruck auf, dass Männer unterdessen zu Witzfiguren degradiert worden sind. Ein Mann, der in einem Werbespot nachts mit Schnupfen nach seiner Mutter ruft, ist kaum mehr als eine Karikatur. Oder denken wir an »Al Bundy«, dessen Abende vor dem Fernseher ihm wichtiger sind als seine Ehefrau. Politiker, die in aller Öffentlichkeit andere Menschen lautstark unterbrechen, anstatt sie ausreden zu lassen, tragen auch nicht gerade zur Wiederherstellung des positiven Männerbildes bei. All diese Beispiele haben wenig mit wahrer Männlichkeit zu tun. Die Tatsache, dass die Anzahl der Singlehaushalte in den letzten Jahren stetig angestiegen ist, lässt vermuten, dass es zunehmend schwieriger geworden ist, verbindliche Beziehungen einzugehen: „In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Anzahl der Single-Haushalte in Deutschland kontinuierlich gestiegen. Besonders der Männeranteil bei den jüngeren Singles (bis 49 Jahre) ist auffällig hoch.“

In einigen Kulturen heißt es, der »Wilde Mann« sei der männliche Beschützer der Welt. Der »Wilde Mann« wird übrigens auch sehr stark mit dem germanischen Wotan und dem keltischen Cernunnos assoziiert. Was passiert, wenn es keinen männlichen Beschützer mehr gibt, lässt sich heute sowohl in der Welt als auch in unseren Beziehungen gut beobachten. Dies sollte uns nicht verwundern, denn alles Authentische, Wilde und Ursprüngliche wurde in den letzten etwa 1000 Jahren systematisch »unter Kontrolle« gebracht. Dies geschah aus Angst und weil es als eine Gefahr für das bestehende System angesehen wurde. Um den »Wilden Mann« in uns Männern wieder zum Leben zu erwecken, sollten wir, egal in welchem Alter, uns auf den Weg unserer eigenen Heldenreise begeben. Ein in sich verwurzelter wilder Mann und eine in sich verwurzelte wilde Frau, die beide ihre Wildheit leben, aber gleichzeitig jederzeit kontrollieren können, haben das Potenzial, die Welt in eine neue Ära zu führen.

„Alles Gute ist wild und frei“. Henry David Thoreau

Vor 1000 Jahren brach nach langer Epoche die Welt der wilden Götter endgültig zusammen, da das Christentum keine weiteren Götter neben dem neuen einen Gott dulden wollte. Die Überlieferungen der Stammesältesten und Mentoren über Wotan und Thor, Lugh und Tyr wurden den jungen Männern zunehmend vorenthalten, aus Angst vor der mächtigen neuen Religion. Eine streng kontrollierte Einheitsmystik ersetzte die verspielte Vielfalt, was dazu führte, dass die Fähigkeit des Mannes zum mythologischen Denken und Fühlen abnahm. Nach der Pest um das 14. Jahrhundert kam die Zeit, in der Großgrundbesitzer und Adelige sowie die Kirche viele Arbeitskräfte für die Landwirtschaft benötigten. Bauern und Handwerker waren fortan untertan und mussten sich anpassen. Dann trat die Zeit der Wissenschaft auf den Plan und drängte den Mann zum analytischen Denken, wodurch kreative Energien in den Hintergrund gedrängt wurden und das Wilde im Mann schließlich verschwand. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert fügte sich der Mann dann endgültig zu einem funktionierenden Teil eines komplexen Systems aus gefühlskaltem Eisen und Stahl. Dank des Uhrwerks musste er ab sofort um eine bestimmte Uhrzeit in der Fabrik sein, und so war nur noch der Dampf der Dampfmaschinen ungezügelt, brachial und wild.

Seit dem 20. Jahrhundert hat sich der einst wilde Mann mit einer um den Hals gebundenen Krawatte, die das Halschakra erstickt und kaum Luft zum Atmen lässt, hinter dem Schreibtisch niedergelassen. Er erfüllt als Empfänger von Befehlen von Konzernen und Behörden Richtlinien, Pläne, Vorgaben, Excel-Tabellen und Budgets. Von einem wilden Mann kann schon lange nicht mehr die Rede sein, eher von Kevin Schmidt, dem austauschbaren Darlehnnehmer, Samenspender und Kiga-Bringer, mit dem Endziel, die eigene perfekt geplante Doppelhaushälfte mit Garage und Gasgrill zu besitzen. Im Zuge der Emanzipation der Frau wurde der Mann dann auch noch zum Sensibelchen, zum Ja-Sager, zum Frauenversteher (zumindest versucht er das, aber welcher Mann schafft das schon??). Ein Mann, der allzeit im Einsatz ist, sei es für seine Familie oder seinen Arbeitgeber bzw. seine Firma.

Die meisten Frauen würden wohl einen kantigen beherzten und mit Dreitagebart coolen Lenny Kravitz einem weichgespülten korrekten wie aus dem Ei gepellten Kevin Schmidt vorziehen, der seine Krawatte immer vorbildlich um den Hals gebunden trägt und das Smartphone immer bei sich trägt. Warum? Weil jemand wie ein Lenny Kravitz in der heutigen künstlichen Welt den wilden Mann noch am ehesten verkörpert, und Gegensätze auch heute noch sexy sind, trotz des Genderwahns. Nun verfügt vielleicht nicht jeder Lenny Kravitz aus der Vorstadtsiedlung über dieselben finanziellen Mittel wie das Original mit der markanten Stimme aus Miami. Welchen Preis wäre also die Damenwelt bereit zu zahlen, um einen Lenny Kravitz aus der Vorstadtsiedlung zu haben, der unregelmäßige Jobs und einen unregelmäßigen Tagesablauf hat, im Vergleich zu einem glatt gebügelten Kevin Schmidt, der jedoch über ein sicheres monatliches Einkommen verfügt?

Gib niemals einem Mann ein Schwert, der nicht tanzen kann. Keltisches Sprichwort

Die drei Entwicklungsphasen der Männlichkeit

Jeder Mann durchläuft im Idealfall drei zentrale Bewusstseinsstufen, die er im Rahmen seiner individuellen, aber archetypischen Heldenreise bewältigen darf. Bewusstseinsstufenübergreifend tritt er hierbei die heilige Reise durch die sieben Aspekte seiner Seele an (diese Archetypen begegnen ihm in allen drei Entwicklungsphasen):

– den Jungen
– den Vater
– den wilden Mann
– den Krieger
– den Liebenden
– den Magier
– den König

Abgesehen von allen Phasen liegt es an ihm, sich während aller drei Bewusstseinsstufen von sämtlichen Abhängigkeiten zu lösen: Unabhängigkeit von Mutter und Vater (gerade die mütterliche Seite ist ja oft mit schwerwiegende Thema verbunden), Süchten wie Alkohol, Sex, Drogen, Konsum und Extremsport. Selbst von seiner Freundin oder Frau darf er sich emotional nicht abhängig machen und ihre von Zeit zu Zeit ausgetragenen Spielchen nicht mitspielen – eben jene kleine Spielchen, die Kali, die Zerstörerin, bei seiner Frau hin und wieder inszeniert. Liebe Frauen, ihr wisst genau, wovon ich spreche. Falls nicht, dann bitte ich vielmals um Entschuldigung, denn dann bist du nicht gemeint… Spaß beiseite, denn eines steht fest: Je unabhängiger ein Mann ist, desto mehr kommt er in seine wahre Männlichkeit. Das muss seiner Frau oder Freundin nicht immer gefallen.

Phase 1: Pubertierphase

Die erste Phase ist relativ einfach abgehandelt, zeichnet sich die Pubertierphase eben dadurch aus, dass aus dem Jungen ein Mann wird. In der Pubertät ist der Heranwachsende emotional aufbrausend, unkontrolliert und naiv. Seine Wildheit ist kaum zu bändigen und mit teils riskanter Neugierde will er die Welt erkunden. Er misst sich gern mit Altersgenossen und will stets zu den Gewinnern zählen. Bleibt ein Mann in dieser Phase stecken, und das soll es geben, nenne ich sie der Einfachheit halber „Pubertiermänner“. Bei den indigenen Völkern werden heute noch Iniationsriten durchgeführt, die einige Tage und Nächte, aber auch Jahre andauern können – je nach Kultur. Klassischerweise müssen die jungen Männer eine Zeit lang alleine in der wilden Natur verbringen, teils ohne Nahrung, und haben so die Möglichkeit, mit ihrer natürlichen inneren Leere Kontakt aufzunehmen, und nichts ist da, was die Leere künstlich füllen könnte. Dabei werden sie von Mentoren beschützt. Klasse, dass es auch bei uns Männer gibt, die Initiationsriten für Jugendliche möglich machen. Ist die Pubertierphase überstanden, so kommt nun der Übergang in die…

Phase 2: Lichtphase

Viele Politiker und Religionsführer scheinen in dieser Lichtphase festzustecken, daher wollen diese „Lichtmänner“ vorderscheinig Harmonie und das Gute für die Welt, erschaffen dabei jedoch das Böse. Lichtmänner sind meist sehr ernsthaft und pflichtbewusst. Auch Gutmenschenmänner sind hierbei zu nennen, aber auch einige Esoteriker, Lichtarbeiter und „Gurus“ verlieren sich in diesen lichten Welten der noch nicht ganz ausgereiften Männlichkeit. Wer nur nach dem Licht strebt, klammert aus, dass er selbst noch Schatten in sich trägt. Doch gilt es gerade auf dem Weg in die nächste Bewusstseinsstufe des Männlichen, auch den Schatten an die Oberfläche zu bringen, ihn anzuschauen und zu akzeptieren, mit ihm umzugehen ohne ihn zu verurteilen. Wenn ich zufällig Diskussionsrunden von Politikermännern im TV sehe, das ist sehr selten, muss ich feststellen, dass sie eher kleinen Kindern ähneln als reifen erwachsenen Männern. Keiner lässt den anderen ausreden und hört wirklich zu, was andere zu sagen haben. Sie beharren auf ihrem Recht und akzeptieren keine andere Meinung. Wie kleine Kinder will jeder den Ball haben und nicht mehr hergeben. Ich befürchte, dass einige Politiker gar noch in der Pubertierpase feststecken. Sie sollten dringend ihr inneres Kind therapieren, bevor sie über andere Menschen entscheiden. Das hat nichts mit Männlichkeit zu tun, eher mit Verzweiflung oder einer schwerwiegenden Psychose. Ein weiteres (gefährliches) Kennzeichen dieser Lichtmänner ist Profilierungssucht. Nobody is perfect und alles auch halb so schlimm, solange die Schatten nach und nach erkannt werden und Mann geht somit langsam über in die:

Phase 3: Schattenphase

Die eigenen Schatten sind zusehends integriert und müssen nun nicht mehr nach Außen projiziert werden, beispielsweise auf andere „böse“ Frauen und Männer. „Schattenmänner“ sind Freigeister und akzeptieren die Meinung anderer, können über sich selbst lachen und haben meist auch altersbedingt aufgrund ihrer Lebenserfahrung eine gewisse Reife. Ein Schattenmann vermag es, die Speere zu senken, zu vermitteln und Brücken zu bauen, er kann aber auch Grenzen setzen, wenn es notwendig wird. Über den Schattenmann wird der Mann nun endgültig zum König seiner Selbst. Er konnte die sieben Aspekte seiner Seele, also den Jungen, den Vater, den wilden Mann, den Krieger, den Liebenden, den Magier und den König in sich integrieren, diese im Kern seines Selbstes heilen und vollständig befreien. Zielgerichtet und fokusiert tut er die Dinge, die getan werden müssen und sagt das, was gesagt werden muss. Er setzt seine Energie gezielt nur da ein, wo sie benötigt wird und bleibt gelassen, wenn die Emotionen um ihn herum hochkochen. Seine Schöpferkraft zeichnet sich dadurch aus, dass er etwas anpacken und seine sexuelle Energie mit einer Frau in magischer aber auch wilder Weise teilen kann, eine sexuelle Energie, die verbindet, statt teilt. Dann ist er…

Der den Frauen zugewandte Mann

Männer, erhebt euch und lebt eure heilige Männlichkeit im Alltag, im Beruf, in Beziehungen, beim Sex, wohl wissend damit umzugehen, nämlich wild zu sein, aber jederzeit kontrollierbar, als der »den Frauen zugewandte Mann«. Als der, der im Wald mit der Hexe tanzt, der lacht und weint, liebt und kämpft, der lehrt und lernt, der plant und baut, der träumt und handelt. Dann entsteht zwischen Mann und Frau die Spannung der Gegensätze als pulsierende Energie, die überschwappen kann, nicht gebändigt werden mag und den Götterhimmel zum Leuchten bringt. Und Wotan entzückt…

Copyright: © Alexander Miller

U.a. inspiriert von:
Eisenhans von Robert Bly
mythenherz von Dirk Grosser

Bilder: Istockphoto (Mann Beitragsbild), Adobe Stock (Hintergrund Blitze Beitragsbild), „Mann mit Schwert“ und „Liebespaar“: Adobe Stock, Rest siehe Markierung

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